27.7.2024

Das Boot, in dem wir sitzen

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Fußball-Bundestrainer Löw nennt die Corona-Virus Pandemie einen „kollektiven Burnout der Welt“*. Es haut mich um, wie prägnant er damit auf den Punkt bringt, was mich in den letzten Tage extrem, aber eigentlich seit Jahren, beschäftigt. Immer wieder verabschiede ich meine Klienten aus meinem Coaching Programm mit dem Gefühl, mit den Menschen gearbeitet zu haben, die vielleicht am sensibelsten sind für das Ungleichgewicht, das durch unser alltägliches „Höher, Schneller, Weiter“ kontinuierlich verstärkt wird. Diejenigen, die sich aufmachen, um ihrer Stressbelastung zu begegnen, kamen mir schon lange richtungsweisend für unsere Gesellschaft vor. Wie vor einem nächsten großen gesellschaftlichen Entwicklungsschritt nehme ich meine Klienten als Pioniere wahr. Pioniere, die vorausgehen, um das digitale und globale Neuland so zu nutzen, dass wir Menschen darin gesund leben können. 

Ich selbst habe ein Burnout erlebt und weiß, wie viel Kraft in dieser Krise steckt. Vielleicht ist es vor allem diese sehr persönliche Erfahrung, die mir jetzt, in dieser Krise der Welt, unerschütterliche Hoffnung gibt. Hoffnung darauf, dass wir die Chance in der Krise sehen. Darauf konzentriere ich mich und versuche, meinen kleinen aber wichtigen Beitrag zu leisten. Ich weiß, dass die Krise für diejenigen zur Chance wird, die mutig innehalten und hinschauen. Diejenigen, die sich trauen aus dem Hamsterrad zu springen und sich einen Moment der Reflexion nehmen – das sind die Menschen, die aus der Krise heraus mehr bei sich ankommen und kraftvoll den Weg gehen, der zu ihnen passt. 

Klingt gut, oder? Fragst Du Dich, wie Du das anfangen sollst? Das verstehe ich. Gerade jetzt passiert so viel um uns herum. Da sind die Nachrichten zu verfolgen, da ist der Alltag im Home Office zu organisieren, Kinder zu betreuen, mit Familienmitgliedern und Freunden im kontaktlosen Austausch zu bleiben. Bei allem, was uns derzeit zusätzlich vor wirklich große Herausforderungen stellt, werden wir mit jedem Tag der Quarantäne in unseren Hamsterrädern ein Stück weiter heruntergebremst. Egal, ob dieser Zustand zwei Wochen anhält, vier Wochen oder länger – früher oder später werden die meisten von uns an den Punkt kommen, wo sie spüren, dass sie unverplante Zeit zur Verfügung haben. 

YES!! Um an diesen Punkt zu kommen, braucht es normalerweise ein/ zwei intensive Coaching Stunden. Und jetzt werden uns die Umstände (die bei Stressbelastung sonst gerne als Schuldige ausgemacht werden) automatisch – quasi frei Haus – an diesen wertvollen Punkt bringen. Dieser Punkt bietet Raum für persönliche Reflexion. Und die Frage, die ich Dir für diesen Moment heute mitgeben möchte ist: 

Wer sitzt in Deinem Krisen-Boot? 

Wir sprechen von einer globalen Pandemie. Das suggeriert, dass wir alle in einem riesigen, gemeinsamen Boot sitzen. In vielerlei Hinsicht ist das natürlich auch sehr richtig – und entsprechend essentiell sind Solidarität und Verantwortung! Ich möchte Deinen Blick heute in dieser wichtigen Solidarität aber auch auf die einzelnen Insassen unseres Bootes lenken. Auf Dich und Deine Familie, mit der Du derzeit 24/7 zusammen bist. Erleben wir auf der persönlichen Ebene derzeit alle das Gleiche? Klar, alle müssen wir daheim bleiben. Alle sind wir konfrontiert mit dem Virus, der durch die Welt zieht und Opfer fordert. Aber wie kommt es, dass manche mehr Angst haben als andere? Warum sehen manche die Chance in der Krise und manche die Apokalypse? Das liegt an der einfachen Wahrheit, dass Stress und Belastung immer persönlich sind! Keine zwei Menschen empfinden eine Stress-Situation als gleichermaßen belastend. Das hängt vor allem mit unseren ganz individuellen Persönlichkeiten zusammen. Der Blick auf das, was uns wirklich ausmacht, ist immer wertvoll – in der Krise umso mehr. Was ist uns wichtig? Welche Werte berühren uns wirklich im Herzen? Was brauchen wir, um uns wohl zu fühlen? Es gibt momentan viele gute Ideen und Tipps zum Umgang mit der Krise. Bevor Du die für Dich und Deine Liebsten konsumierst, möchte ich Dich zu einer entscheidenden Überlegung einladen: Welche Persönlichkeiten sitzen in Deinem Krisen-Boot? Je nach Typ geraten wir in dieser globalen Krise in ganz persönliche und unterschiedliche Not-Situationen.

Bist Du eher introvertiert oder extrovertiert? 

Umgangssprachlich verbinden wir mit diesen Begriffen Schüchternheit und Kontaktfreude. Das trifft nicht ganz das, was die Persönlichkeitspsychologie darunter versteht. Wissenschaftlich betrachtet geht es hier um die Frage, ob Du eher nach innen oder nach außen orientiert bist. Schöpfst Du Energie aus dem Zusammensein mit Menschen oder aus der Zeit mit Dir selbst? Es gibt viele introvertierte Menschen, die kein bisschen schüchtern sind. Genauso wie es viele Extrovertierte gibt, die keinen großen Freundes- und Bekanntenkreis haben. Löse Dich von den umgangssprachlichen Schubladen und horche in Dich hinein, wo Du vermutlich auf der introvertiert-extrovertiert-Skala stehst. Und wo stehen die Menschen, mit denen Du gerade in diesem Krisen-Boot sitzt? Die individuellen Herausforderungen der Quarantäne liegen auf der Hand: Der eher introvertierte Typ sehnt sich nach Zeit alleine ohne dass die ganze Familie ständig um ihn herum ist. Und der extrovertierte Typ vermisst den persönlichen Kontakt zu seinen Mitmenschen im Außen schmerzlich. So wie sich Singles momentan vielleicht nach einem Partner in ihrem Boot sehnen, so können Familien-Kapitäne Fantasien haben, sich mit dem Beiboot alleine abzusetzen. Wahrscheinlich spürst Du es direkt in Dir. Vielleicht hast Du aber auch Lust, mit einem kleinen Test, wie diesem hier zu überlegen, welcher Typ Du bist. Und egal, ob Du die Antwort noch suchst – die Überlegung macht schon einen Unterschied. Schon damit wird sofort deutlich, dass nicht alle Krisen-Tipps und Ideen für alle von uns gleichermaßen geeignet sind. 

Lasst uns hinschauen. Lasst uns die Zeit zur Reflexion nutzen. Persönlichkeiten haben viele Dimensionen. Die Intro- oder Extrovertiertheit ist da nur eine davon – wenn auch eine, die ich derzeit als sehr wichtig erachte. Andere Persönlichkeitsfaktoren sind der Perfektionismus, das Sicherheitsbedürfnis oder auch die persönliche Neigung zur Angst. Ja, es ist oft gar nicht so einfach, hier eine zutreffende Einschätzung vorzunehmen. Macht ja nichts. Hauptsache, Du schaust schon mal hin. Du kannst auch mit den äußeren Faktoren anfangen, die Deine Boots-Insassen ausmachen: Alter, Risikogruppe, gesundheitliche Situation, Beruf, familiäre Situation, Verantwortung, finanzieller Rahmen, Wohnsituation, um nur ein paar zu nennen. 

Wir erleben dieses „kollektive Burnout“ alle gemeinsam. Solidarität hat einen unschätzbaren Wert. Wir alle tragen die Verantwortung. Und um dabei auch persönlich gut durch diese Krise zu kommen, dürfen wir unbedingt auch persönlich werden. Wer bin ich in der Krise, wie ticke ich? Was treibt mich an, was ängstigt mich? Was macht mich aus? Große Fragen, ich weiß. Aber wir haben ja jetzt Zeit. 

Und hey, das ist das, was ich tue. Ich unterstütze gerne dabei, den Antworten auf diese Fragen näher zu kommen und passende Schritte zu gehen – trotz der globalen Krise und gerade jetzt! Schreibe mir und lass uns sprechen.  

  

* VRM ePaper, 19.03.2020 (Idsteiner Zeitung), S. 21.

 

Photo by Alina Pkhakadze on Unsplash


Tags

Burnout, Corona, Innehalten, Reflektieren, Reflexion, Stress, Stress abbauen, Stressmanagement


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