Aushalten, Durchhalten, Zähne zusammenbeißen. Ich sehe so viel davon. Ob in einer belastenden beruflichen Situation, in der Vereinbarkeit von Beruf und Privatem, im Studium oder der Ausbildung, aber auch zu ganz persönlichen Themen – so lange halten wir aus, was unser Körper, unser Bauch oder unser Herz schon lange als falsch für uns erkannt haben. Wir halten durch und verschließen beharrlich die Augen davor, wie es uns dabei geht – Augen zu und durch!
In der hektischen Arbeitswoche wird einem ein Problem nach dem anderen vor die Füße geworfen. Zu Lösungen kommt man kaum, bevor es an einer anderen Stelle zu brennen beginnt. Jeder braucht etwas und alle Kommunikationskanäle werden zu jeder Tages- und Nachtzeit genutzt. Nach dem Feierabend warten die nächsten Anforderungen auf uns. Wir sind schon so im Multitasking und Stapelverarbeitungs-Modus, dass wir gar nicht mehr unterscheiden können, was Pflicht und was Vergnügen ist. Deshalb passiert es uns auch leider immer öfter, dass wir genervt sind von unserem Partner, obwohl der Widerstand eigentlich unserem Chef gilt. Wir fühlen uns immer getriebener und kommen immer weniger zur Ruhe und bei uns selbst an. Wenn wir mal Zeit haben, wissen wir die gar nicht mehr zu nutzen und greifen zu Ablenkungsmanövern. Durchhalten! Wird schon wieder! Wir kämpfen weiter und weiter in der immer abstrakteren Hoffnung auf die Erholungskarotte.
Die Frage nach dem „Warum?“ drängt sich auf. Aber diese Frage stellt sich wohl erst, wenn Dir der Preis Deiner Handlung bewusst ist. Bist Du Dir bewusst, wohin Dauer-Stress und Überlastung führen können? Ich weiß, Du bist ein Optimist und ein Macher mit einer „Can-Do-Attitude“. Du kannst auch verdient stolz auf Deine Leistung sein. Aber sicher gibst Du mir Recht, dass ein Ausblenden der Gefahren bei allem Glauben daran, dass es schon gut gehen wird, doch eigentlich nur fahrlässig zu nennen ist. Für jedes Projekt, für jede finanzielle Investition, für jeden Einsatz Deiner Ressourcen im Job würdest Du die Risiken besser beleuchten als bei Deinem persönlichen Umgang mit Stress.
Mach Dir das bitte nicht persönlich zum Vorwurf. So ticken wir derzeit als Leistungsgesellschaft. Wir werden noch ein paar Jahre brauchen, bis wir uns einig sind, dass wir uns zu den neuen Herausforderungen und Möglichkeiten unserer Zeit gesünder aufstellen sollten. Neulich habe ich in der Podcast-Folge #09 von Ganz schön krank, Leute! die Überlegung gehört, dass wir in zwanzig Jahren vielleicht so auf unsere heutige Smartphone-Nutzung schauen werden, wie wir heute auf unseren süchtig- und krankmachenden Zigarettenkonsum von vor zwanzig Jahren blicken. Der Gedanke ist gleichermaßen wachrüttelnd wie optimistisch, und er gefällt mir auch für unseren Umgang mit Stress. Ich denke, wir Menschen werden uns zu den Herausforderungen unserer neuen Zeit sortieren. Wir sind unheimlich anpassungsfähig – als Spezies. Aber dafür braucht es Individuen, die heute anfangen ihre Lösungen zu finden.
Gehe sorgsam mit Dir um. Achte darauf, wo Du mit Deinen Kräften stehst. Verschließe die Augen nicht vor der Stressbelastung, der Du Dich jeden Tag aussetzt. Die letzte große Erwerbstätigenbefragung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, der Stressreport Deutschland, ist sieben Jahre her und hat schon damals ergeben, dass 83% der Befragten mindestens ein ernstzunehmendes Symptom einer Stressbelastung aufwiesen. Bei der nächsten Befragung wird sich diese Zahl sicher noch mehr den 100% angenähert haben. Die Auswirkungen von Stress spüren wir also alle:
- Wie gut schläfst Du? Kannst Du gut einschlafen? Durchschlafen? Erholsam schlafen? Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Dein Schlaf durch eine zu hohe Stressbelastung gestört ist. Und damit beginnt eine Abwärtsspirale, denn Schlaf baut Stresshormone ab.
- Wie ist es um Deinen Appetit bestellt? Genießt Du gesunde Mahlzeiten? Ist Deine Verdauung in Ordnung oder liegt Dir das Essen oft „schwer im Magen“?
- Wie leistungsfähig fühlst Du Dich? Kannst Du Dich gut konzentrieren oder gehen Dir die Dinge nicht mehr so gut von der Hand wie früher?
- Fühlst Du Dich oft erschöpft? Hörst Du Dich immer wieder sagen und denken: „Ich brauche dringend Urlaub!“? Fühlst Du Dich ausgebrannt?
- Lässt Du Kontakte schleifen, weil Du einfach zu müde bist? Fühlst Du Dich oft gereizt und hast keine Geduld für „die ganzen Idioten“ um Dich herum? Ist Dir Dein Sinn für Humor verloren gegangen und ersetzt Du ihn oft einfach durch Sarkasmus?
- Bist Du körperlich einfach nicht fit und fängst Dir einen Infekt nach dem nächsten ein? Hast Du Kreislaufprobleme, Verdauungsbeschwerden oder Magenschmerzen, für die es keinen medizinischen Befund gibt?
Diese sechs Punkte sind klare Warnsignale für eine Stressbelastung, die über ein gesundes, antriebssteigerndes Maß hinausgeht. Was wir alle riskieren, wenn wir die Augen verschließen vor diesen Warnsignalen sind Burnout, Erschöpfung, Depression, Bluthochdruck, Hörsturz, Tinnitus, Schlafstörungen, Gedächtnisstörungen, Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden, Zittern, Potenzstörungen, Zyklusstörungen, Muskelverspannungen, geschwächtes Immunsystem, Alkoholsucht, Tablettenmissbrauch, Diabetes, Koronare Herzerkrankungen – um nur einige der möglichen Stressfolgeerkrankungen zu nennen.
Es liegt mir fern, Dich damit zu ängstigen. Es ist mir vielmehr ein Anliegen, Dich darüber aufzuklären und Dir die Risiken unseres stress-aushaltenden Lebens aufzuzeigen. Es ist ein Appell an Dich, Deine Lösung zu suchen und Deine Entlastung zu finden. Keine Angst. Es braucht dabei nicht die großen Veränderungen. Du musst Deinen Job nicht hinschmeißen oder ein Sabbatical beantragen. Du kannst jetzt und heute entscheiden, dass Du sorgsamer mit Dir selbst umgehen möchtest. Du darfst Dir selbst diese Priorität einräumen. Und dann denke in kleinen Unterschieden - in kleinen Unterschieden, die Du an den meisten Tagen in Deinen Alltag einbaust. Wenn Du dazu mehr lesen möchtest, schau mal hier in meinem Blog Post 1440 Chancen. Und komm auch immer sehr gern auf mich zu, wenn Du Anregungen zum Start gebrauchen kannst.
Entscheide Dich für mehr Selbstfürsorge. Das ist der erste Schritt. Der zweite Schritt ist das Finden der für Dich passenden kleinen Veränderung. Und danach wird es leichter – versprochen!
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