27.7.2024

Digitale Sahnetorte fasten

0  comments

Na, liest Du diese Zeilen hier gerade über Dein Smartphone? Ich schreibe sie auf meinem Notebook, stelle den Text dann ins Internet und verlinke ihn über Social Media. Heute geht es hier um Digital Detoxing und Digital Mindfulness. Ist das dann nicht wie bei einem Stück Sahnetorte über Diäten zu sprechen? Stimmt. Aber ist es nicht auch so, dass die Erfindung der Sahnetorte (u. A.) das Thema Diäten erst in unser zivilisiertes Leben gebracht hat? Da ist es doch nur logisch, dass der Wunsch nach einer gesünderen Diät besonders stark ist während wir genau diese Sahnetorte essen – oder direkt danach. Dann darüber zu sprechen ist ein erster Schritt zur Veränderung. 

Zur Torten-Frage stimmst Du mir vermutlich sofort zu, dass das Maß entscheidend ist. Ab und zu ein Stück Torte schadet keiner Gesundheit. Torte bei jeder sich bietenden Gelegenheit lässt uns schnell dicker und ungesünder werden als wir sein möchten. Dann fühlen wir uns unwohl und suchen nach Lösungen (aka Diäten). 

In meiner Arbeit in der Burnout Prävention spreche ich mit Menschen, die sich unwohl fühlen. Ich spreche mit Menschen, die sich über die Maßen gestresst fühlen und sich nach Veränderung sehnen. Meine Klienten kommen zu mir, weil sie wieder mehr Wohlbefinden und Entspannung in ihrem Leben brauchen. Wir beginnen dann meist damit, hinzuschauen. Wir schauen hin, was für Stressoren im Spiel sind und welcher mentale und regenerative Ausgleich vorhanden ist. Stressoren gibt es in der Regel sehr viele. Ausgleich nur sehr wenig. In kleinen Mikro-Schritten erarbeiten wir dann Zeitfenster, in denen Regeneration und Resilienz wachsen können. 

Du hast keine Zeit?! Ich weiß. Mit diesem Gefühl, keine zehn Minuten übrig zu haben, bist Du nicht allein. Was wir alle auf der Suche nach einem zehnminütigen Zeitfenster für unser Wohlbefinden allzu oft übersehen sind die digitalen Sahnetorten, die wir nebenbei konsumieren: Durchschnittlich schauen wir hierzulande fast dreieinhalb Stunden täglich auf unseren Smartphone Bildschirm!* Dreißig bis hundert Mal am Tag aktivieren wir dafür unser Gerät. Telefonieren oder Musik hören ist da nicht eingerechnet. Hier geht es um E-Mails, im Internet surfen, Messenger Dienste, soziale Netzwerke und Spiele. Wir haben keine Zeit für uns und verbringen Stunden mit Social Media, News Feeds oder Spielen auf dem Smartphone?! 

Facebook, Instagram, Whatsapp und Co. sind kostenlos. Zahlen wir deshalb für die Nutzung keinen Preis? Doch, zahlen wir - wir zahlen mit unserer Aufmerksamkeit und unserer Zeit. Beides ist begrenzt. Entsprechend lohnenswert ist ein bewusster Umgang mit diesen Ressourcen. Wofür setze ich meine Zeit ein – für das lustige Video, das gerade über den Messenger Dienst kam, für die zehnte Scroll-Bewegung nach unten im sozialen Netzwerk oder für zwei Minuten Orientierung, worum es mir persönlich eigentlich gerade geht? 

Zurück zum Ernährungs-Vergleich: Im Umgang mit den digitalen Möglichkeiten sind wir alle miteinander wie Kinder, die die Kekse entdeckt haben. Die Entwicklung des Internets, der Handys, Smartphones und der Digitalisierung ist evolutionsbiologisch gerade erst im letzten Wimpernschlag passiert – die letzten zwanzig Jahre waren rasant und in Anbetracht der mächtigen Algorithmen, die nun existieren, werden die nächsten zehn Jahre sicher noch an Rasanz zulegen. Umso wichtiger ist die Frage, wie wir uns gemeinsam und jeder einzelne von uns sich dazu aufstellen. Was uns Menschen von den Maschinen unterscheidet sind unsere Gefühle und Gedanken. Wenn wir denen keine Aufmerksamkeit mehr widmen, geht einiges an Menschlichkeit verloren. Das merken wir im Umgang miteinander. Und das spürt jeder Einzelne von uns, der sich in einer Stress-Überlastung befindet, in der Zeit zur Reflexion der eigenen Gedanken fehlt. 

Diese Aufmerksamkeit und Achtsamkeit im Umgang mit den eigenen Gedanken braucht keine großen Zeitfenster („am Wochenende mache ich mir darüber ausführlich Gedanken…“). Kleine Sequenzen, in denen wir die Chance haben zu spüren, wie es uns geht und wie wir zur aktuellen Situation stehen, sind mindestens ein guter Anfang -  wenn nicht sogar schon die halbe Miete. Diese kleinen Sequenzen hatten wir im Zeitalter vor den Smartphones wenn wir auf den Bus gewartet haben, bevor die Tagesschau begann, wenn unsere Begleitung im Restaurant aufs Klo ging, … heute füllen wir diese Wartezeiten und Übergänge von einer Tätigkeit zur nächsten reflexartig mit dem Griff zum Handy. Damit füllen wir sie kontinuierlich mit Informationen und Eindrücken, für deren Verarbeitung wir uns dann wieder keine Zeit nehmen. 

Digital Detoxing (also der temporäre Verzicht auf unsere Smart Devices) und Digital Mindfulness (also der achtsame Umgang mit ihnen) werden in der Burnout Prävention immer dann zum Thema, wenn die Digitalisierung ein Stressfaktor ist. Sehr häufig ist das der Fall. Dann gilt es, für sich persönlich einen bewussten und achtsamen Umgang mit der Technologie zu definieren. Um sich an eine „offline“ Lebensweise zu erinnern und den Unterschied zum ständigen „on“ sein zu spüren, kann ein vorübergehender Verzicht, eine digitale Fastenkur hilfreich sein. Aus diesem Verständnis für den Unterschied zwischen „on“ und „off“ kann ein achtsamer Umgang mit den so immens wertvollen Technologien unserer Zeit stattfinden. Dann gewinnen wir noch mehr als nur Sahnetorte. 

Lust auf weitere Inspiration zum Thema? 

Besonders die Frage der Achtsamkeit im Umgang mit den digitalen Medien beleuchtet Alexander Avanth in seinem tollen Ted Talk im Copenhagen Salon eindrücklich. Hör doch mal rein. 

Und ein weiteres ganz besonderes Denkanstoß-Vergnügen habe ich für Dich entdeckt. Wenn Du im Englischen gut zu Hause bist, ist die Wort-Akrobatik von Levi Bethune in diesem Gedicht zum Thema Digital Mindfulness für Dich sicher inspirierend. 

Und, hey! Wenn Du Unterstützung beim digitalen Fasten und beim Zeit-für-Dich-schaffen gebrauchen kannst, dann bin ich hier. Ich bin gern an Deiner Seite und begleite Dich auf Deinem Weg. Schreibe mir eine E-Mail und finde heraus, ob das hilfreich für Dich sein könnte.


Explodierende Bildschirmzeit im Alltag - Sind wir alle smartphonesüchtig? im Lifestrom Magazin

 

Photo by Dilyara Garifullina on Unsplash


Tags

Digital Detox, Digitalisierung, Stress, Stress abbauen, Stressmanagement


Weitere Denkanstöße