20.4.2024

Schlafen ist cool

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Wer früh ins Bett geht, ist schnell „der Langweiler“, der „Party-Pooper“, wird als nicht leistungsfähig oder belastbar gesehen – und das gilt in unserer Leistungsgesellschaft als Manko. In unserer globalisierten Arbeitswelt erhalten wir fünf Stunden nachdem wir Feierabend gemacht haben, immer noch Mails – mindestens vom Shared Service Center in Buenos Aires. Ganz schnell passiert es, dass wir bis in die späten Abendstunden hinein im Austausch mit Kollegen sind, gerne per Chat oder Skype. Schlafen können wir später, wenn wir alt sind. Heute wollen wir bloß nichts verpassen und überall dabei sein. Es passiert ja auch immer etwas. Und wenn schon nicht im analogen Leben, dann doch im virtuellen. Das Internet schläft nie. Warum sollten wir das dann tun, wo es doch so viel zu tun gibt?

Warum wir uns etwas fürsorglicher behandeln und unserem Körper den nötigen Schlaf gönnen sollten, beantworte ich heute. Eigentlich wissen es die meisten von uns, nur vergessen wir oft, auch entsprechend zu handeln. Vielleicht haben wir das Schlafen sogar schon ein bisschen verlernt. Deshalb eine deutliche Warnung für uns Leistungsgesellschafts-Mitglieder, Wissensarbeiter und Alltags-Verkehrsteilnehmer: Nicht-Schlafen ist gefährlich! Das fängt beim Straßenverkehr an. Fehlender oder schlechter Nachtschlaf macht uns tagsüber müde, abgeschlagen und unaufmerksam. Mindestens fünfundzwanzig Prozent (manche Schätzungen liegen bei vierzig Prozent) der Verkehrsunfälle sind auf Übermüdung und/ oder Sekundenschlaf zurückzuführen. (Quellen: destatis.de und diepresse.com) 

Wem das noch nicht Grund genug ist, dem sei gesagt, dass die Gleichung auch nicht aufgeht, wenn man die Sekundenschlaf-Gefahren im Auto überlebt. Wer weniger schläft ist zwar länger wach, aber dafür mit deutlicher Handbremse unterwegs. Müdigkeit senkt unsere Aufmerksamkeitsspanne, die Geschwindigkeit, in der unser Gehirn Informationen verarbeitet, unsere Gedächtnisfunktionen und damit unsere Leistungsfähigkeit deutlich. (Quelle: Oxford Academic Sleep Journal) Müde brauchen wir deutlich länger für unsere Aufgaben und die Ergebnisse sind schlechter. Das sollte doch mindestens für uns effizienz-orientierte BWL’er ein Argument sein. Mehr wache Stunden (Input) verbessern unsere Leistung (Output) nicht - im Gegenteil! Darüber hinaus führt Schlafmangel zu Stimmungsschwankungen und depressiver Verstimmung und damit oft zu Problemen in der Partnerschaft und Familie. Spätestens dann ist die Lebensqualität und –freude spürbar beeinträchtigt. Das Risiko von Diabetes, Herzerkrankungen und Übergewicht steigt. Das Immunsystem wird geschwächt. 

Also, was tun? Unser Schlafverhalten ist längst zu einer unserer Gewohnheiten geworden. Wie wir alle wissen, sind Gewohnheiten schwer zu ändern. Selbst wenn wir uns fest vornehmen, „heute aber wirklich mal früh ins Bett zu gehen“ kann es gut sein, dass uns das trotz festem Willen nicht gelingt. Das hat mit unseren Bedürfnissen, unseren Gefühlen und unserer Gedankensteuerung zu tun. Drei sehr lohnenswerte Bereiche für etwas Selbstreflexion. 

  1. Aber heute will ich es pragmatischer halten und ein paar Tipps geben, wie wir mit einer sogenannten Schlaf-Hygiene wieder zu besserem Schlaf finden.
  2. Überlege Dir geregelte Zubettgeh-Zeiten, die Deinem Schlafbedürfnis gerecht werden, und gleichzeitig nicht utopisch weit von Deinen aktuellen Zeiten entfernt sind.
  3. Experimentiere eventuell etwas mit Deiner Aufsteh-Zeit. Manchmal fällt das Aufstehen fünfzehn Minuten früher leichter, weil man sich da gerade in einer leichteren Schlafphase befindet.
  4. Die Raumtemperatur Deines Schlafzimmers sollte zwischen fünfzehn und achtzehn Grad Celsius liegen.
  5. Dunkele Dein Schlafzimmer ab. Probiere aus, ob es eventuell angenehmer für Dich ist, trotzdem morgens ein paar der ersten Lichtstrahlen reinzulassen, um mit dem Wecker nicht aus dem Tiefschlaf gerissen zu werden.
  6. Gestalte ein schönes Ritual. Vielleicht gehst Du abends ein paar Minuten spazieren oder liest noch ein paar Seiten in einem Buch.
  7. Gönne Deinen Augen und Deinem Gehirn ein bis zwei Stunden Zeit ohne Bildschirm bevor Du ins Bett gehst. Nur so hat auch Dein Kopf eine Chance, runterzufahren.
  8. Kein Kaffee, Cola o. Ä. nach 16:00 Uhr.
  9. Kein spätes, schweres Essen.
  10. Keine großen Anstrengungen wie Sport oder geistige Arbeit direkt vor dem Schlafengehen. - Keine Sorge: Sex fällt dabei nicht unter die Kategorie „große Anstrengung“. Sex hat seine eigenen positiven Wirkmechanismen und ich bin sicher, die große Mehrheit wird mir zustimmen lässt, dass er uns unabhängig von dem eventuell geopferten Schlaf besser fühlen lässt.
  11. Alkohol hingegen lässt uns zwar in der Regel leichter einschlafen, beeinflusst die Qualität unseres Schlafes allerdings deutlich negativ. Wer also Probleme mit dem Durchschlafen hat, sollte es mit einem Verzicht auf das abendliche Glas Wein/ Bier versuchen.
  12. Gehe nur ins Bett, wenn Du müde bist. Bewahre Dich selbst vor der Situation, genervt im Bett auf den Schlaf zu warten, der nicht kommen will. 
  13. Wenn Du nachts wach wirst und nicht wieder einschlafen kannst, steh auf und beschäftige Dich mit unaufgeregten Dingen. Lies eine Zeitschrift, gieß die Blumen, leg etwas Wäsche zusammen. Wenn Du wieder müde wirst, geh zurück ins Bett.
  14. Du kannst auch Entspannungsmethoden wie die Progressive Muskelrelaxation oder Autogenes Training machen, um besser abschalten zu können. Auch über Atemübungen, Yoga und Meditation lernen wir zur Ruhe zu kommen. Wer Lust auf Ausprobieren hat, kann mit der derzeit überall präsenten App von 7mind kostenlos ein paar angeleitete Meditationen testen.

Mit diesen Tipps kommen viele von uns schon ein deutliches Stück weiter und wieder zu einem gesünderen und erholsameren Schlaf. Vor Medikamenten jeglicher Art warne ich ausdrücklich. Schlafmittel, auch die pflanzlichen wie Hopfen, Baldrian oder Melisse verursachen schnell eine psychische Abhängigkeit. Das Gefühl, nicht mehr ohne diese Hilfsmittel einschlafen zu können, wächst. 

Jeder, der seinem inneren Gewohnheitsschweinehund auf dem Weg zu einem entspannten und gesunden Schlaf Beine machen will, kann sich die aktuelle Jahreszeit zu Nutze machen. Erwiesenermaßen leiden in unseren Breitengraden (in denen wir ausgeprägte Jahreszeiten mit deutlichen Licht- und Temperaturunterschieden im Jahresverlauf haben) fünfzig bis siebzig Prozent der Menschen an Frühjahrsmüdigkeit. Das liegt daran, dass wir ähnlich wie die Bären unseren Stoffwechsel und Hormonhaushalt auf Winter eingestellt haben. Kommt nun endlich die Sonne wieder heraus, kommt der Kreislauf ins Schleudern und unser Körper hat ordentlich zu tun, unsere Winter-Einstellungen wieder umzustellen. Das macht sehr müde – bis zu einem Monat lang. In diesem Monat wird Dir die Gewohnheitsänderung hin zu einem gesunden, passenden Schlaf deutlich leichter fallen, als zu anderen Zeiten des Jahres. 

Also – die beste Zeit ist Jetzt!

Schlaf gut. 

Und wer mit der Gewohnheitsumstellung im Schlafverhalten weniger Probleme hat, aber dafür sehr mit der Frühjahrsmüdigkeit kämpft: Viel frisches Obst und Gemüse essen, wechselwarme Duschen und Sauna regen den Kreislauf an. Frische Luft und Sonnenlicht beeinflussen unseren Hormonhaushalt – vor allem, wenn die UV-Strahlen auch auf unsere Netzhaut treffen. Also die schicke Sonnenbrille öfter mal im Etui lassen. Damit ist das Winter-Hangover schneller überwunden. 

 

Photo by Rhema Kallianpur on Unsplash


Tags

Erholung, Schlaf, Schlafprobleme, Stress, Stress abbauen, Stressmanagement


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